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gedankenlyrik à la celan aus del pyrenäen
eidechsen die huschen und grillen zikaden und gänse und kühe
die singen die zirpen die schnattern und brüllen
am berstenden mittag der heiligen stunde der römer
wir wandern und wandern
und steigen und steigen das ist doch der erste zustand
von der gnade
schmal ist der weg und er wird unverhofft zum gewölbe
und bläuliche felsen da oben die hohen die höchsten
schon lange ist tot celan es gibt dennoch platz für die hoffnung
die beine die nicht denken können sie führen uns weiter
und weiter
der kopf endlich leer projekte sehnsüchte
bewußtseinsinhalte sogar
die schwinden allmählich dahin
ein plötzlicher bauer am rande er will offenbar uns ansprechen
der doch wohl gehemmt wird von sein'm hirtenspanisch
es sticht uns inzwischen die sonne heimtückisch
feigenbaum birkenbaum trauerweide und fichten sehr schwarz
scheinen wachsam zu sein jedenfalls schweigen sie
dein goldenes Haar Margarete dein aschernes Haat Sulamit
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ein weiteres gespräch im park
im stadtpark war es
ein tiefer ein aufgehaltener ein wie knirschender
dunkelgrüner himmel
spannte sich über uns aus
vor uns dazu herausragend und imponierend
die mächrigen schwarzen konturen der pinienreihe
von den klavierstücken chopins war die rede
und von denen des enrique granados
für mich übrigen gotteslästerlich genug
mindestens so gut wie die des schmächtigen lungenkranken polen
und von grundsätzen auch und von begründungen
hintergründen und ergründungen
unter besonderen berücksichtigung der abgründe
weißt du was hast du dich auf ainmal mir zugewandt
neuerdings erlebe ich doch ein oder zweimal am tag
wie ein loch in der zeit
wie ein loch der totalen sinnesentleerung
das mich wortwörtlich zu verschlingen droht
und das sind keine black-outs dessen bin ich todsicher
und dann?
ja und dann
also dann
kein drehbuch kein script keine gebrauchsanweisungen mehr
für unser armes verletzliches unfassbares leben
keine der sogenannten tradierten überlieferungen
oder kaum irgend eine
keine der schäbigen sicherheiten der neuspanier der neudeutschen
von den neufranzosen spreche ich jetzt lieber nicht
kein rückgriff mehr auf den vorrat der erträumten städte
nichts
du bist prinzipiell überhaupt niche fegeit gegen den ansturm
der löcher
ob schwarz oder rosafarbig
und dann?
also dann
kein ausweg mehr du musst dich immer wieder von neuem erfinden
oder etwas beruhigender gesagt wenn du willst
finde wieder den alten mut dich von neuem zu erfinden
erfinde dich bloß
erst dann
und ganz nebenbei nachdem du den ganzen michel foucault
über bord geworfen hast
erst dann also
wirst du
dir selber etwas mehr ähneln
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coincidentia oppositorum
und auf einmal oben emporragend
die blüten auf den steilen zweigen
eines mandelbaums
wie reihen aufeinanderfolgender raupen
langsam und heimlich froh
märz in madrid
komisch gerade für heute hatte ich mir vorgenommen
das evangelim des lukas wieder aufzunehmen
folglich frage ich mich jetzt
ob das zusammenfallen beider ereignisse
nicht ganz zufällig ist